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Wasserstoff auf dem Prüfstand

Der Verkehr muss nachhaltiger werden. Zur Dekarbonisierung tragen vor allem Elektroautos bei. Doch wie steht es um Autos mit Wasserstoffantrieb? Schlecht, sagen Experten. Trotzdem dürfte Wasserstoff bei der Energiewende eine Rolle spielen.

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2023 waren mehr als 20 Prozent der neu zugelassenen Personenwagen Elektroautos mit Batteriebetrieb. Die Anzahl der neu zugelassenen Wasserstoffautos liegt hingegen im Promillebereich, und es gibt nur wenige Modelle auf dem Markt. Wird sich das in Zukunft ändern?

«Nein», ist Thomas Marty, Mobilitätsexperte beim Bundesamt für Energie BFE, überzeugt. «Damit der Wasserstoffantrieb bei Personenwagen marktfähig würde, müsste ein Wunder passieren.» Das hat viele Gründe, vor allem aber sind Wasserstoffautos energetisch sehr ineffizient und haben eine schlechtere Treibhausgasbilanz. Wie Elektroautos haben auch Wasserstoffautos einen Motor, der mit Strom betrieben wird. Aber: Während das Elektroauto den Strom direkt nutzt, muss er für den Wasserstoffantrieb doppelt umgewandelt werden: von Strom in Wasserstoff und dann im Auto wieder zu Strom (siehe Text unten).

 Viel Energie verpufft

Diese Prozesse fressen viel Energie und senken somit den Wirkungsgrad. «Immer, wenn man Strom direkt einsetzen kann, sollte man das tun», sagt Marty. Untersuchungen zeigen: Das Elektroauto kann 73 Prozent der bezogenen Energie für den Antrieb nutzen. Verluste verzeichnet es etwa bei der Umwandlung von Wechsel- zu Gleichstrom. Beim Wasserstoffantrieb sind hingegen nach der zweifachen Umwandlung nur noch 22 Prozent der ursprünglich bezogenen Energie übrig (siehe Grafik).

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Hinzu kommt: Stammt der Wasserstoff aus dem Schweizer Verbraucher-Strommix, erzeugen Wasserstoffautos gesamthaft gesehen deutlich mehr Treibhausgasemissionen als Elektroautos, die mit demselben Strommix geladen werden. Denn der in der Schweiz effektiv an die Endkunden gelieferte Strom enthält auch Importstrom aus fossilen Quellen. Nur wenn man zu 100 Prozent erneuerbare Energien einsetzt, liegen Wasserstoffautos und batterieelektrische Autos hinsichtlich Umweltbelastung etwa gleichauf.

 Schlechte Infrastruktur

Auch Christian Bach, Leiter der Abteilung Chemische Energieträger und Fahrzeugsysteme am Material- und Technologieforschungsinstitut Empa, glaubt nicht mehr an das baldige Wasserstoffauto. «Darauf muss man nicht warten. Aus rein technischer Sicht machen Wasserstoff-Personenwagen wenig Sinn», sagt er. So sei es zum Beispiel nicht möglich, Allradfahrzeuge mit Wasserstoffantrieb zu bauen. Denn der Wasserstofftank muss im Bereich der Hinterachse platziert werden, was den zusätzlichen Hinterachsantrieb praktisch verunmöglicht. Zudem sind Tankstellen teuer und komplex. Entsprechend schlecht steht es um die Infrastruktur: Gerade 17 Wasserstofftankstellen gibt es in der Schweiz.

 Option bei Nutzfahrzeugen

Im Nutzfahrzeugbereich hingegen ist das Rennen zwischen Elektroautos mit Batterieantrieb und Wasserstoffautos noch nicht gelaufen – doch auch hier hat der Batterieantrieb zumindest aktuell die Nase deutlich vorn. Gegenüber Wasserstoffautos haben Wasserstoff-LKW den Vorteil, dass sie mehr Platz für die grossen Tanks haben und deshalb einfacher zu bauen sind.

Zudem: «Wenn eine ganze Flotte von Nutzfahrzeugen geladen oder betankt werden muss, kann eine Wasserstofftankstelle zeitsparender und kosteneffizienter sein als viele Ladestationen für herkömmliche Elektro-LKW», sagt Bach. Im öffentlichen Verkehr sind die Vorteile ähnlich. Das Bundesamt für Verkehr BAV hat Wasserstoffbusse im Schweizer ÖV-Netz getestet und kam zum Schluss, dass diese im Stadtverkehr zwar batteriebetriebenen Elektrobussen hinsichtlich Energieeffizienz deutlich unterlegen sind. Im Regionalverkehr aber, wo längere und teilweise topografisch anspruchsvolle Strecken zu überwinden sind, könnten Wasserstoffbusse sinnvoll eingesetzt werden. Vorausgesetzt, sie könnten infolge sinkender Beschaffungspreise wirtschaftlich betrieben werden.

 Wasserstoff als Energiespeicher

Zwar hat Wasserstoff im Individualverkehr einen schweren Stand, aber in anderen Einsatzbereichen ist mit ihm zu rechnen. So bewertet der Bundesrat Wasserstoff als wichtiges Puzzleteil, um das Netto-Null-Ziel zu erreichen. Sein Anteil am Gesamtenergieverbrauch wird aber klein bleiben. Er wird vor allem in energieintensiven Industrieprozessen zur Erzeugung von Hochtemperaturwärme, als Treibstoff im Flug-, Schiffs- und Schwerlastverkehr sowie als Speicher von Stromüberschüssen in der volatilen Stromproduktion durch erneuerbare Energien zum Einsatz kommen.

Letzteres ist für Empa-Experte Christian Bach ein zentraler Punkt: «Der Ausbau erneuerbarer Energien wie Photovoltaik, Wind- und Wasserkraft ergibt nur in Kombination mit enormen Speicherkapazitäten Sinn.» Stromüberschüsse im Sommer könnten durch die Umwandlung in Wasserstoff für andere Anwendungen nutzbar gemacht werden. Damit könne das Risiko vermindert werden, dass sich der Zubau von Photovoltaikanlagen einbremst, weil solche Anlagen zu viele Überschüsse produzieren. «Langfristig kommen wir deshalb wohl nicht um Wasserstoff herum.»

Fazit: Im Individualverkehr schaffen Wasserstoffautos wohl kaum den Durchbruch. Das Batterieauto bietet das grösste Potenzial, die Treibhausgasemissionen und die gesamte Umweltbelastung des Individualverkehrs bis 2050 zu reduzieren. Zu diesem Schluss kommt das Bundesamt für Umwelt BAFU in seinem Vergleich von Personenwagen mit verschiedenen Antriebssystemen. Betrachtet wurden dabei alle Aspekte von Fahrzeugherstellung, -betrieb, -unterhalt und -entsorgung über die Bereitstellung des «Treibstoffs» bis zur Nutzung der Strasseninfrastruktur.

Auch nach Martys Einschätzung ist das Auto mit Batterieantrieb meist die richtige Wahl, zumal die Technologie weiterhin grosse Fortschritte macht. Empfehlenswert ist ein Auto, das für den täglichen Bedarf geeignet und in die Energieeffizienzklasse A eingestuft ist.

So funktioniert der Wasserstoffantrieb

Wie Elektroautos auch haben Wasserstoffautos einen Elektromotor. Dieser wird aber statt mit einer Batterie durch eine Brennstoffzelle angetrieben, die Wasserstoff benötigt. Da jedoch Wasserstoff in reiner Form auf unserem Planeten nur in Spuren vorkommt, muss dieser erst produziert werden. Die effizienteste Herstellungsmöglichkeit ist die Wasserelektrolyse. Dabei wird Wasser mithilfe von elektrischem Strom in Sauerstoff und Wasserstoff zerlegt. Wurde der Wasserstoff hergestellt, zur Tankstelle transportiert und das Auto betankt, beginnt der zweite Umwandlungsprozess. In der Brennstoffzelle des Wasserstoffautos entsteht durch eine chemische Reaktion zwischen Wasserstoff und Sauerstoff – die Umkehrung der Elektrolyse – erneut Strom. Dieser treibt den Motor an.

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