Wie lebt es ich in einem Smart Home? Familie Poletti hat eine Maximallösung installiert und möchte den Komfort nicht mehr missen. Sie spart Heizenergie und nutzt den selbst produzierten Strom optimal.
Ein Einfamilienhaus wie viele andere, am Dorfrand von Landquart (GR): Das soll ein bis unters Dach mit Hightech vollgestopftes Smart Home sein – ein digitalisiertes Eigenheim? Beim Rundgang zeigt sich, dass die Räume unterschiedlich warm sind: Das Wohnzimmer ist auf 21,5 Grad geheizt, das Kinderzimmer auf 20, das Elternschlafzimmer auf 17 Grad. In jedem Raum werde die Heizung separat gesteuert und die programmierte Temperatur mit Fühlern überwacht, erklärt Hausherr Andreas Poletti.
Andreas Poletti ist Energieberater und gelernter Elektromonteur. Darum hat er die Ausrüstung für sein intelligentes Daheim selbst konzipiert und montiert, es sei «fast das Maximum». Will heissen: alles, was bei der Steuerung von Energieeffizienz, Wohnkomfort und Sicherheit Sinn macht. Andreas Poletti ist mit seiner Begeisterung und seinem Glauben an die Möglichkeiten der Smart-Home-Technologie bei Weitem nicht allein. Der ABB-Konzern etwa, der führende Schweizer Anbieter von Smart-Home-Systemen, hat in den vergangenen Jahren 70'000 Anlagen installiert. Nicht bloss in der Schweiz, sondern in ganz Europa. «Wir rechnen mit einem kräftigen Marktwachstum», sagt Martin Vontobel, Product Marketing Manager Building Automation Solutions bei ABB Schweiz. «Die Akzeptanz intelligenter Technologie wird weiter zunehmen.»
Das sei nicht zuletzt mit Blick auf die Energiezukunft wichtig. Eine repräsentative Umfrage des Immobilienportals Homegate aus dem Jahr 2020 zeigt: Über die Hälfte der Schweizerinnen und Schweizer können sich vorstellen, künftig digital vernetzte oder ans Internet angebundene Systeme für die Bereiche Gesundheit, Klima und Energie zu nutzen. Der Begriff Smart Home steht für die Vernetzung unterschiedlicher Anwendungen in einem Gebäude zu einem Ganzen.
«Ich will nicht ein Dutzend Apps auf dem Handy haben, um im Haus irgendetwas ein- oder auszuschalten», sagt Poletti. In seinem Smart Home funktionieren verschiedene Geräte miteinander, sind also interoperabel. Zentrales Element im Alltag ist die elektronische Schlüsselablage im Entree. Dort hängen die magnetischen, mit einem Chip versehenen Hausschlüssel. Nehmen sie die Bewohnerinnen und Bewohner beim Verlassen des Hauses mit, wird es laut Poletti «in Schlaf versetzt, damit es möglichst wenig Energie braucht». Und: Das Haus reagiert auf nachlässiges Verhalten. Vergisst jemand bei gewissen Aussentemperaturen das WC-Fenster zu schliessen, weist ihn eine freundliche Stimme über das Lautsprechersystem darauf hin. Und bleibt im Schlafzimmer versehentlich das Fenster geöffnet, wird der Radiator in diesem Raum abgestellt. Das Licht wird durch Bewegungsmelder geregelt. All das trägt zum Energiesparen bei. Das grösste Potenzial jedoch sieht Andreas Poletti in der automatischen Beschattung durch die intelligent gesteuerten Jalousien und beim angepasstenHeizen: Die Räume eines Smart Homes lassen sich nicht nur nach Verwendungszweck unterschiedlich beheizen, bei längeren Abwesenheiten kann die Temperatur via Smartphone auch im ganzen Haus abgesenkt werden. Alles in allem, so schätzt Andreas Poletti, spare er gegenüber einem konventionellen Haus rund 10 % des Energieverbrauchs ein. Auf der Webseite von ABB heisst es: «Dank unserer Smart-Home-Lösungen erreichen Sie Energieeinsparungen von bis zu 30 %.» Solche Ergebnisse sind wohl vor allem bei neuen, energiesparend konzipierten Siedlungen zu erreichen, doch Smart-Home-Technologie kann auch für Einfamilienhäuser Sinn machen – erst recht bei eigener Solarstromproduktion.
Wann sich welche Investition in ein Smart Home auch finanziell auszahlt, lässt sich kaum verallgemeinern – zu unterschiedlich sind die möglichen Lösungen. Die Firma eSMART, nach eigenen Angaben Schweizer Marktführerin für vernetztes Wohnen, rechnet mit Investitionen von 4'000 bis 8'000 Franken, je nach Grösse eines Einfamilienhauses. Ob Neu- oder Umbau spiele dabei keine Rolle. Ein Smart-Home-System von ABB kostet je nach Komplexität zwischen 5'000 und 20'000 Franken. Eine Maximallösung wie die von Andreas Poletti würde, liesse man sie durch Fachleute realisieren, an die 90'000 Franken kosten. Im Vergleich zu den Energieeinsparungen zwar nicht wirtschaftlich, aber wertsteigernd. Der Immobilienmarkt dürfte bald auf Investitionen in die Gebäudedigitalisierung reagieren und solche Objekte attraktiver machen. Spätestens mit der Einführung des Smart Readiness Indicators, einem europaweiten Indikator, wird die Gebäudeintelligenz vergleichbar und sich im Immobilienpreis niederschlagen.
Gemäss Umfrage steht für Menschen, die sich vorstellen können, künftig mit intelligenten Technologien zu leben, an erster Stelle der Bereich Gesundheit. Gerade älteren Menschen bietet ein Smart Home praktische Möglichkeiten wie die Überwachung und Steuerung von Licht und Wärme, eine Absicherung gegen Einbrüche oder das automatische Abschalten kritischer Haushaltsgeräte. So könnte das intelligente Daheim betagten Menschen ermöglichen, länger in ihrer vertrauten Umgebung zu leben.