Auch denkmalgeschützte und schützenswerte Häuser lassen sich energetisch erneuern – und damit in die Zukunft tragen. Zwei Beispiele zeigen, wie Historie und Nachhaltigkeit Hand in Hand gehen.
Wie sich altehrwürdige Häuser für die Zukunft fit machen lassen, zeigt Architekt Christoph Ecker aus Oltingen (BL) immer wieder. Seit über 15 Jahren baut er historische Gebäude um und saniert sie gleichzeitig energetisch. Manche davon genügen sogar dem Minergie-Standard – so auch das typische Baselbieter Bauernhaus aus dem Jahr 1850, in dem er selbst mit seiner Familie lebt. Es gilt als schützenswert, weil das Ortsbild von Oltingen nahezu unbescholten den Zahn der Zeit überstanden hat und landesweit dafür gerühmt wird.
Schon vor dem Umbau lebte die sechsköpfige Familie hinter den bröckelnden Mauern im Dorfkern – im Wissen, dass dereinst eine radikale Renovation nötig sein wird. Die Räume liessen sich mit dem Elektronachtspeicherofen nur knapp auf 16 Grad wärmen. Durch die Ritzen pfiff der Wind, die elektrischen Installationen waren veraltet und von den durchhängenden Decken rieselte es ständig. Also zügelte die Familie 2007 für ein halbes Jahr und Christoph Ecker machte sich an der Lotterbude zu schaffen.
Der Architekt krempelte die Hierarchie der Räume komplett um, verlagerte den Lebensmittelpunkt von der West- zur Ostseite des Hauses. Dort ersetzte er den alten Schopf durch einen Lärchenholzkubus. Im Anbau liegen nun Küche und Wohnzimmer. Den Boden im Erdgeschoss, die Decke zum Estrich sowie die Wand zur angebauten Scheune dämmte er bis zu 30 Zentimeter dick. Darüber hinaus baute er eine Komfortlüftung ein, versenkte die erforderlichen Leitungen im Fussboden beziehungsweise in der Dachbodendecke, ersetzte den alten Glühofen durch eine Pelletheizung. Gerade eben hat er im ehemaligen Stall eine Einliegerwohnung fertig gebaut, damit im Haus wieder Platz für die vielen Gäste ist.
Die Neuerungen sind von aussen kaum ablesbar. Denn die Strassen- und Südfassade liess Christoph Ecker original stehen. «Ich habe die alte Bausubstanz möglichst schonend behandelt, so wie ich es in meinen Projekten immer tue», sagt Christoph Ecker.
«Denn je mehr man davon wegschleift, umso verwässerter wird ein Konzept. Es reizt mich immer wieder, für alte Häuser neue Ideen zu finden. Und damit Immobilien mit langer Vergangenheit eine ebenso lange Zukunft zu geben.» Ein zweites Beispiel für die gelungene Erneuerung historischer Gebäude: ein 350-jähriges Haus im Dorf Latsch-Bergün (GR).
Das stattliche Haus erinnert an jene Ära, in der das Albulatal mit dem Engadin eng verbunden war, auch kulturell. Damit ist es ein wichtiger Zeitzeuge und entsprechend denkmalgeschützt. Ein rundbogiges Eingangstor führt in den Solèr, dort steht der Zürcher Architekt Peter Felix. Er hat das Haus zusammen mit seiner Frau zwei Jahre lang mit viel Feingespür saniert – und ihm damit eine neue Zukunft gegeben. Hinter der steinernen Fassade ist die Historie des Gebäudes in jeder Ecke spürbar. Doch allerorten verweisen Glas, schwarze Stahlelemente und Sichtbeton auf die Anpassungen an die Gegenwart. Das Team von Felix Partner Architektur und Design hat die Räume stilsicher modernisiert. Selbst die alten, abgewetzten Treppenstufen durften bleiben. Die Schlafzimmer unter dem Giebeldach aber lassen sich nur über einen neu integrierten Betonturm erreichen. Über 50 Jahre lang stand das Haus leer und moderte vor sich hin.
Nun steht es wieder aufrecht am Südhang. Die Zimmer wurden geradegerichtet, in der neuen Brandschutzwand liegen die Heizkörper verborgen. Die ehemalige Heubühne fasst jetzt ein Wohnzimmer und der Geissenstall einen Spa. Was besonders beeindruckt: Der alte Holzstrickbau ist nun ein hochmodernes Kraftwerk. Eine Wärmepumpe mit fünf Erdsonden hält das Haus warm, Kollektoren und eine Photovoltaikanlage auf dem Dach produzieren Warmwasser und sauberen Strom. Die so erzeugte Energie deckt den gesamten Jahresbedarf des Gebäudes ab. Die überschüssige Power des Bergsommers wird mit 1100 Meter tiefen Sonden in einem Felsen gespeichert und im Winter CO2-neutral zurückgewonnen. «Das Projekt beweist, dass selbst eine 350 Jahre alte, denkmalgeschützte Liegenschaft zum Nullenergiebilanzhaus werden kann, ohne dass die historische Substanz darunter leidet», sagt Peter Felix.
In der Schweiz stehen knapp vier Prozent aller Gebäude unter Denkmalschutz. Fachleute schätzen den Bestand über alle Kategorien (von nationaler bis lokaler Bedeutung) auf rund 90'000 bis 100'000 Objekte. Dazu kommen viele Bauten, die in geschützten Ortsbildern oder Landschaften eine besondere Bedeutung haben und deshalb als schützenswert gelten. Sie unterstehen zwar weniger strengen Auflagen als Denkmäler, doch auch hier ist der Freiraum für Umbauten oder Erneuerungen begrenzt. «Historische Gebäude sind Liebhaberobjekte», sagt Patrick Schoeck, Leiter Baukultur des Schweizer Heimatschutzes. «Wer sich eines anschafft und umbauen will, darf sich vor dem damit verbundenen Mehraufwand nicht scheuen. Bei der Anpassung an die heutige Zeit ist Denkarbeit weit wichtiger als Materialarbeit. Denn der Baukörper ist ja bereits vorhanden.» Dass sich Denkmalschutz und -pflege gegen Neuerungen grundlegend stemmen, sei ein Vorurteil. «Gerade jetzt ist vieles im Umbruch», sagt Patrick Schoeck. «Hocheffiziente Materialien für Dämmungen oder Photovoltaikanlagen, die sich kaum mehr wahrnehmbar in Baukörper integrieren lassen, eröffnen für Sanierungen historisch wertvoller Häuser komplett neue Möglichkeiten. Nur fehlen meist überzeugende Ideen, wie man die modernen Techniken nutzen soll, ohne dass man die historische Bausubstanz beeinträchtigt.» Für den damit verbundenen Aufwand können Besitzerinnen und Besitzer geschützter Immobilien finanzielle Zuschüsse einfordern, je nach Kanton bis 30 % der dadurch anfallenden Mehrkosten.
Die Konferenz der Schweizer Denkmalpflegerinnen und Denkmalpfleger schreibt auf ihrer Website: «In einem Gebäude, das schon immer bewohnt war, soll auch in Zukunft gewohnt werden können. Das erfordert Anpassungen bei Küche und Bad und bei den technischen Installationen. Verträgt sich jedoch die neue Nutzung nicht mit der ursprünglichen, so sind die Grenzen möglicher Anpassungen schnell erreicht.» Peter Schoeck sagt: «In der Regel findet man immer einen Konsens. Wichtig ist, dass man möglichst früh auf die zuständigen Behörden der Denkmalpflege zugeht, um im Dialog Grenzen und Möglichkeiten auszuloten. Dabei ist meist mehr möglich, als viele glauben.» Der Experte geht davon aus, dass sich der CO2-Ausstoss durch gezielte Anpassungen, auf denen gängige energetische Sanierungen basieren, mindestens um 80 % verringern und der Energieverbrauch mindestens halbieren lässt.
Mehr Informationen erhalten Sie unterKonferenz der Schweizer Denkmalpflegerinnen und Denkmalpfleger.